Diwitzer Kindheitserinnerungen

zusammengestellt von Theda von der Groeben für ihren Bruder Siegfried, -letzten Besitzer von Diwitz- und für seine Kinder und Enkel

 

Im westlichsten Teil der ehemaligen preußischen Provinz Pommern, nahe der mecklenburgischen Grenze und der kleinen Stadt Barth, strebte das Flüsschen, die Barthe, seinem Mündungsziel, dem Barther Bodden zu. An diesem Flüsschen waren an verschiedenen Stellen Reste von Burgwällen zu erkennen und an einer Stelle war eine Insel entstanden, von einem breiten Wallgraben umgeben, der seinen Zufluss von der Barthe erhielt. Auf dieser Insel erhob sich das Schloss Diwitz. Der Name Diwitz erscheint zuerst um 1283 und als Besitzer Nicolaus de Dyuitze. Später werden genannt die Namen: von Dewitz, von Moltke, Vicke von Vitzen, von Krakewitz, von Horn, von Lilienstaedt, von Krassow, von der Groeben.


Bis zum Jahre 1892 waren das Schloss und das dazugehoerende Gut Diwitz im Besitz des Grafen von Krassow. Da kein männlicher Erbe vorhanden war, ging das Gut durch die Heirat der Tochter Hedda mit dem Grafen von der Groeben an deren Sohn, meinen Vater, den Grafen Karl von der Groeben über.


Meine Geschwister und ich durften unsere ganze Jugendzeit auf diesem schönen Besitztum verleben. Daher möchte ich ein wenig erzählen, sowohl von der landschaftlichen Schönheit der nahen Umgebung, als auch von dem Inneren des Schlosses; vor allem aber auch von der Art und Weise, wie in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in einem solchen Schloss gelebt wurde.


Die Gesamtgröße des zum Gut gehörenden Besitzes betrug über 10000 Morgen. Dazu gehörten außer dem Dorf und dem Vieh-Hof Diwitz noch 3 Dörfer mit Wirtschaftshöfen (Frauendorf, Martenshagen, Spoldershagen)und ein Dörfchen mit Försterei "Gätkenhagen", sowie das verpachtete Wobbelkow. Die Größe des zum Gut gehörenden Waldes betrug ca. 2600 Morgen. Der Nähe des Barther Boddens entsprechend, (einer Ausbuchtung der Ostsee)‚ herrschte ein maritimes Klima; viel Wind, im Winter oft starke Stürme mit Schneeverwehungen. Die ganze Gegend war völliges Flachland und die Wiesen, die das Schloss umgaben, lagen kaum über dem Meeresspiegel. Bei starken Nordwind wurde oft von der See her das Wasser der Barthe zurückgestaut und überflutete die Wiesen, sodaß manche Heuernte verloren ging oder nur mit Mühe herausgefischt werden konnte.



Bei winterlichen Sturmfluten konnte es passieren, daß das Vieh aus den Ställen nach Frauendorf getrieben werden mußte, weil das Wasser in die Ställe eindrang; so auch in einer Neujahrsnacht. Dann war auch das Schloß nur per Kahn zu erreichen, was wir Kinder natürlich hoch interessant fanden.


Vom Dorf Diwitz herkommend, führte eine Kopfsteinpflasterstraße an einer den Schloßpark umgebenden roten

Ziegelstein-Mauer entlang, durch ein ehemaliges Tor, von dem nur noch die Eckpfeiler standen, in die Auffahrtstraße zum Schloß. Zur rechten hatte man dann den Kuhstall, die Wagenremise und den Pferdestall; zur Linken eine Hecke, über die hinweg man den Blick in den »Schloßpark hatte. Eine Brücke über den Wallgraben führte denn zum Schloß. Der älteste Teil des Schlosses war zunächst als Wasserburg zum Schutz gegen Feinde erbaut worden, umgeben von dem breiten Wassergraben und einem Erdwall. Die Mauern dieses Schloßteils waren mindestens 3 Meter breit. Der unterste Raum wurde zu unserer Zeit als Küche benutzt. Sie hatte Steinfußboden und an einer Stelle lag eine abhebbare Steinplatte, unter der ein paar Steinstufen hinab in das ehemalige Burgverließ führten. Es war ein fensterloser feuchter, kalter Raum.


Um ein Fenster in der Küche einsetzen zu können, mußte an der Nordseite ein circa 3 Meter langer und breiter Gang aus der Mauer herausgeschlagen werden. Dasselbe wiederholte sich in dem über der Küche gelegenen Schlafzimmer meiner Eltern.

In späteren Jahren wurde auf diesen Schloßteil noch ein Barockteil aufgebaut, in den eine große Uhr eingefügt wurde.

Dadurch entstand auch noch ein großer Raum, in dem dann die Jeweilige Jungfer für meine Mutter und uns Kinder nähte, aber auch zwei Zimmermädchen schliefen und in einem großen Schrank das Gehäuse der Uhr furchtbar rasselnd schlug. Die Mädchen schliefen bestens dabei. Im 18. Jahrhundert wurde durch Graf Lilienstedt das Langhaus angebaut, das den Hauptteil des Schlosses bildete.



Das Langhaus war zum Teil unterkellert, doch stand im Winter und zeitweise auch im Sommer das Grundwasser im Keller, so daß man nur auf erhöhten Brettergängen an die Regale heran konnte. Außer einem Raum für die Winterkartoffeln und einem Weinkeller war noch ein Raum da für die Aufbewahrung von Obst. Es kam vor, daß wir noch Äpfel bis zur nächsten

Apfelernte hatten.


In das innere des Langhauses führten zwei Eingangstüren, beide auf erhöhter Plattform, zu der jeweils von links und rechts Treppenstufen heraufführten. Über den Türen waren die Wappen von Lilienstedt-Törnflycht und Krassow-Lilienstedt. In der Eingangshalle hingen an den Wänden alte Speere und  Waffen, sowie Gehörne und Geweihe. Ein schmaler Gang mit riesigen alten dunklen Eichenschränken führte links ab zu den beiden Dienerzimmern(Putzraum und Wohn-Eßraum). Desgleichen ein schmaler Gang nach rechts zur Küche. Eine zweiteilige Glastür grenzte die Eingangshalle ab gegen das Treppenhaus nach oben. Von der Halle führte links eine Tür in zwei Fremdenzimmer. Zunächst in die sogenannte Deckenkammer; ein Doppelbettzimmer, dessen Betten hinter dicht zu verschließenden schweren grünen Gardinen lagen. Die Wände waren an drei Seiten mit wertvollen Gobelins, die Theseus-Sage darstellend, bespannt. Im anschließenden Riedinger-Zimmer an den Wänden lauter, Jagdbilder von Riedinger. Dazu weiße Stühle mit roten Bezug.


Von der Eingangshalle nach rechts betrat man die drei Zimmer meines Vaters: das Wohnzimmer, in dem er Menschen empfing, die ihn sprechen wollten; sein Arbeitszimmer und sein Anziehzimmer. Im Arbeitszimmer hingen ebenfalls an den Wänden Gehörne und Geweihe und auf einem Schrank stand ein ausgestopfter Fuchs. Aus diesen Raum führte eine Wendeltreppe in die obere Etage und zwar durch eine Doppeltür in das Wohnzimmer meiner  Mutter.


Von der Eingangshalle durch die Glastür gehend, trat man unten in drei weitere Fremdenzimmer; die "Bunte-Bett-Stube". Sie enthielt schöne alte Möbel; eine große Waschkomode aus wertvollem Holz, sehr großen alten Kleiderschrank und ein

interessantes Bett. Der obere Teil des Bettes war auch von einer herabhängenden Gardine umgeben, diesmal in rosa. Am Kopfende war in ...(Fortsetzung folgt)